Sonntag, 5. Oktober 2014

Haustiere im Seniorenheim

Gerade erhielt ich eine WhatsApp von einer Freundin, deren Vater nun in ein Pflegeheim einziehen wird. Die Nachricht erhielt ich, weil sie für die beiden Wellensittiche Ihres Vaters ein neues Zuhause sucht. Sie selbst hat Hunde und Katzen, das harmoniert aus leicht einsichtigen Gründen leider nicht so richtig; zumal einer der Hunde ein Terrier ist :-)

Da war ich erstmal etwas erstaunt und wollte Näheres wissen. Daraufhin schrieb sie noch, dass die Heimleitung die Mitnahme der Vögelchen ausdrücklich abgelehnt habe. Da war ich dann echt baff! Wir reden ja immerhin "nur" von einem Pärchen kleiner, pflegeleichter Piepmätze und nicht von einem Rudel Hunde.

Wie kann denn heute noch so etwas sein? Es sollte sich doch wohl inzwischen auch in der hintersten Provinz in der Altenpflege herumgesprochen haben, dass Haustiere den Senioren viel Freude bereiten und sie mit den Tieren innige soziale Kontakte pflegen, die ihnen sonst ja leider so oft fehlen. Auch die kognitiven Fähigkeiten der Senioren mit Haustieren sind viel weniger dem Verfall preisgegeben, als die von vergleichbaren Senioren ohne Haustiere. Nicht umsonst hat eine andere Freundin von mir, die in der Demenzpflege arbeitet, ihre beiden Hunde zu Therapiehunden ausgebildet und nimmt sie regelmäßig mit an ihre Arbeitsstelle. Dort leisten sie unglaublich wertvolle Arbeit. Viele ältere Menschen blühen regelrecht auf in der Gegenwart der Hunde. Wussten Sie, dass sogar manche Menschen, die demenzbedingt gar nicht mehr ansprechbar sind, positive Reaktionen zeigen, wenn ihre Hand das Fell eines Hundes oder einer Katze berührt? Reaktionen, die kein Pfleger oder Angehöriger mehr so hervorrufen kann. Da vollzieht sich dann jedes Mal ein kleines Wunder: eine totgeglaubte Seele zeigt, dass sie noch lebt. Das kann man übrigens auch bei der Alzheimer-Gesellschaft nachlesen. Dort gibt es unter dem Punkt "Prävention, Diagnose und Therapie" ein .pdf zum Thema mit dem Titel "Tiere und demenzkranke Menschen - eine ganz besondere Beziehung". Dort liest man gleich in der Einleitung, dass Tiere "Welten öffnen" können in das "Anderland" der Demenzkranken. Auch das Kuratorium deutsche Altenhilfe setzt sich seit Jahren für die Mitarbeit von Tieren in der Altenpflege ein. Es gibt sogar einen "Berufsverband tiergestützte Therapie, Pädagogik und Fördermaßnahmen e.V.", der sich altersübergreifend mit dem Thema Tiere als Ko-Therapeuten befasst.

Doch zurück zu den Vögelchen. Gerade solche kleinen quirligen Kerlchen sind ideal für Senioren. Sie sind sehr pflegeleicht und äußerst unterhaltsam und kommunikativ. Und ein schreiender Wellensittich, der uns im Ohr dröhnt, dringt vielleicht auch bei einem schwerhörigen Menschen noch durch. Menschen brauchen Aufgaben. Wenn es mit den großen Aufgaben im Leben nicht mehr so klappt, dann kann so eine kleine Aufgabe, wie das tägliche Füttern und Wasser geben, einem älteren Menschen eine neue Aufgabe, und damit einen neuen Sinn im Leben geben. Diese Arbeit wird tausendfach entlohnt. Es gibt immer einen Ansprechpartner,  und es wird auch nie langweilig, die Tiere beim Spiel zu beobachten. Das einmal wöchentlich fällige Käfig sauber machen ist auch im Handumdrehen erledigt und kann evtl. auch von Angehörigen, die zu Besuch kommen, engagiertem Personal oder ehrenamtlichen Helfern übernommen werden, wenn der ältere Mensch das nicht mehr schafft. Mein Opa hatte übrigens bis ins hohe Alter Wellensittiche und das war schon eine ganz besondere Beziehung.

Ich weiß, dass Tiergegner jetzt gerne mit der Hygiene kommen. Na und? Wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Vögelchen Salmonellen, Chlamydien oder sonstige Krankheitskeime auf die alten Menschen übertragen (wenn diese nicht gerade eine Chemotherapie mitmachen müssen), da ist jeder menschliche Besucher gefährlicher, da der sogar wirtsspezifische Erreger mitbringen kann. Tja, und wie wahrscheinlich ist es, dass Senioren im Seniorenheim vereinsamen und psychisch und neurologisch verfallen? Noch Fragen? Übrigens bekommen aus Gründen der Hygiene die Therapiehunde äußerst regelmäßig eine Wurmkur, und sie sind auch vollständig geimpft und dürfen auch nur dann mitkommen, wenn sie selbst augenscheinlich gesund sind.

Da fällt mit eine alte Geschichte, noch aus meinen Kliniktagen ein: damals hatten wir mehrfach einen niedlichen kleinen wuscheligen Mixhund auf Station, der Diabetiker war und leider immer wieder mit seinem Zucker entgleiste. Frauchen war ganz unglücklich, denn sie tat alles, was sie konnte, um den Hund mit Diät und Insulin einzustellen. Aber hier war die Senioren-Hund-Beziehung leider ein ernstes Problem, denn der kleine "Fifi" war der Liebling aller in dem Seniorenheim, in dem Frauchen arbeitete. Das war aufgrund unzähliger Leckerbissen aus vielen faltigen Händen für "Fifi" leider geradezu lebensgefährlich. Wir bekamen den Zucker erst in den Griff, als wir gemeinsam eine Idee entwickelten. Frauchen wog fortan einfach jeden Tag das Diätfutter für "Fifi" ab und tat es in eine besonders schöne Dose. Diese Dose bekam einen guten Standort und stand als "Schatz" den Senioren zur Verfügung. So bekam "Fifi" nur noch gesunde Kost und die Senioren konnten ihn weiter verwöhnen ;-)

Ich finde es im Zusammenhang "Alte Menschen und Haustiere" auch ganz schrecklich, wenn alte Menschen, die ihr Leben lang Tiere als Gefährten gehalten haben, nun plötzlich darauf verzichten sollen. Das ist für viele alte Menschen ein echter Schock, der das Einleben in der neuen und fremden Umgebung auch nicht gerade erleichtert. So ein alter Baum wird ohnehin nicht gerne verpflanzt, da ist jedes bißchen Routine wichtig! Ihrer tierischen Partner und ihrer pflegerischen Aufgabe beraubt, ist das für manch einen der Anfang der sozialen Isolation und des Dahindämmerns. Ich sage es jetzt mal ganz provokativ: "Da kann man sich auch gleich in  den Sarg legen und auf den Tod warten.". Ganz abgesehen davon, dass ich es auch nicht schön finde, wenn dann oft selbst alte Tiere krampfhaft und holter-di-polter vermittelt werden müssen, und das in meinen Augen ganz sinnlos.

Ich hoffe inständig, dass derlei Heimleiter, wie der aus dem o.g. Beispiel schnell umdenken und den Blick für das Wesentliche erlernen. Unsere Gesellschaft wird immer älter, und da sollten wir uns schon Gedanken darüber machen, wie wir mit älteren Mitbürgern umgehen wollen. Achtung wäre ein guter Weg! Achtung vor den Lebensmodellen der Senioren tut not. Und wenn dazu Haustiere gehören, dann sollten wir nicht stur ablehnen, sondern Wege suchen, das zu ermöglichen.

Und bis dahin: kann jemand von Ihnen zwei Wellensittiche brauchen? Bitte bei mir melden!

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